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Mehr Vertrauen in deutsches Recht

Topic: Risiken von US-Kautelen


Nicht nur das Internet, auch das M&A-Geschäft ist von US-Normen durchdrungen. Heutige Unternehmenskaufverträge (SPA) enthalten daher durch US-Recht geprägte Kautelen. Diese sind außerhalb des anglo-amerikanischen Rechtskreises nur eingeschränkt zweckdienlich.

Das anglo-amerikanische Recht ist durch Gewohnheits- und Billigkeitsrecht (Common Law) geprägt, der deutsche Rechtskreis dagegen durch umfangreich kodifizierte Gesetze (Civil Law), die den Parteien eine Schutzfunktion gewähren. Das römische Caveat emptor („Buyer beware“) ist ein im anglo-amerikanischen Vertragsrecht üblicher Rechtsgrundsatz, der im Unterschied zu den deutschen vorvertraglichen Aufklärungspflichten dem Käufer die Risiken mangelnder Aufklärung auferlegt. Um US-Kautelen in deutsche SPA zu übertragen, wird daher als erstes das gesamte Schutzrecht des deutschen Zivilrechts bis an die Grenze der Gesetz- und Sittenwidrigkeit ausgeschlossen und durch ein geschlossenes Haftungs- und Gewährleistungsregime nach US-Muster ersetzt – „Reps and Warranties, Bases and Caps“. Dieser Schutzschild des SPA ist im deutschen Rechtskreis schon bei bedingt vorsätzlicher Verletzung von Aufklärungspflichten durchdringbar. Die Hürden dafür sind niedriger als gemeinhin angenommen, ein Vollbeweis ist nicht erforderlich. Der Vertrag kann als Ganzes ex tunc zerstört werden.

Da Caveat emptor kein dominierender Grundsatz des deutschen Zivilrechts ist, ist der Käufer auch nicht verpflichtet, eine Due Diligence durchzuführen. Eine Due Diligence des Käufers kann dem Verkäufer sogar zur Exkulpation dienen, § 254 BGB. Der Käufer darf sich im deutschen Rechtskreis auf die Aufklärungspflichten des Verkäufers, auch ohne gezielte Nachfrage, verlassen. Sein (gutgläubiges) Vertrauen in das Wort des Verkäufers und in dessen Aufklärungspflichten ist vom Gesetz geschützt. Dies dürfte in der Causa Schickedanz vs. Sal. Oppenheim entgegen landläufiger Meinung noch zu mancher Überraschung führen.

Das Common Law kennt kein Abstraktionsprinzip. Bei an US-Standards orientierten SPA werden daher wesentliche Informationen über den Kaufgegenstand nach Vertragsschluss (Signing) noch bis zum Erfüllungsgeschäft (Closing) nachgeschoben. Entsprechende „Updating Provisions“ sollten vom Käufer im deutschen Rechtskreis nicht akzeptiert bzw. nach Vertragsschluss erteilte Informationen nur unter Vorbehalt angenommen werden.

Der scheinbar harmlose Letter of Intent, im US-Recht eine unverbindliche Absichtserklärung, ist im deutschen Recht ein unbekanntes Rechtskonstrukt, kann ein Vorfeldvertrag sein und unerwünschte Haftungsfolgen auslösen.

Zunehmend drängen, gemeinsam mit aus den USA importierten Bewertungsmodellen, US-geprägte Bilanzrechtsnormen (US-GAAP, IFRS/IAS) in die Rechnungslegung deutscher Unternehmen. Die Vertreter dieses Bilanzrechts sind Repräsentanten globaler Finanzinstitute und „Big Four“ Wirtschaftsprüfer, organisiert als private Vereinigung – FASB und IASB. Deren Normen sollen den „Interessen des Marktes“ eher gerecht werden als unser am klassischen Vorsichts- und Gläubigerschutzprinzip orientiertes HGB-Bilanzrecht. Dabei wird übersehen, dass gerade das Vorsichtsprinzip ein zentraler Grundsatz des europäischen Bilanzrechts ist, Art. 6 Abs. 1c der Richtlinie 2013/34/EU.

US-Bewertungsmodelle sind trotz ihrer vordergründigen Komplexität rein tautologische Transformationen von Wertansätzen aus der Rechnungslegung des jeweiligen Zielunternehmens – Garbage-in, Garbage-out. US-GAAP und IFRS/IAS tendieren zu risikobehafteten Überbewertungen, die den Käufer benachteiligen. Existieren für bestimmte Assets keine vergleichbaren Marktpreise, können „mark-to-model“ Konzepte angewandt werden, die zu teilweise illusionären Bewertungen führen. Deshalb bezweifelt die UK Parliamentary Commission on Banking die Eignung IFRS-basierter Rechnungslegung, dem europäischen Grundsatz der Bilanzwahrheit gerecht zu werden („Changing Banking for Good“, London 2013).

Wie die Causa Hewlett Packard vs. Autonomy zeigt, kann die Zugrundelegung unterschiedlicher bilanzrechtlicher Auffassungen zu völlig abweichenden Bewertungen führen. Geht der Käufer in seiner Bewertung von falschen Annahmen aus, obwohl ihm die Bilanzierungsmethode bekannt ist, handelt es sich um einen unbeachtlichen Motivirrtum. Dies verhindert Anfechtungsrechte und beschränkt eventuelle Schadensersatzansprüche.

Den Parteien ist daher im Interesse nachhaltig erfolgreicher Deals anzuraten, die Schutzfunktionen des deutschen Rechts nicht ohne Not aufzugeben. Dies gilt auch für das Bilanzrecht des HGB, das durch aktuelle EuGH-Rechtsprechung zum Vorsichtsprinzip (EuGH 3.10.2013, C-322/12) eine Renaissance erlangt hat.

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